Interessen - Kunstgeschichte - Buchmalerei - Glanzlichter

Hier möchte ich unter anderem eine Sammlung vorstellen, die einem die Leistung der damaligen Schreiber wunderschön vor Augen führt.

Sie heißt "Glanzlichter der Buchkunst" und wird vom ADEVA-Verlag (Graz) herausgegeben.

Bis jetzt sind 15 Bände erschienen:

Band 1: Goslarer Evangeliar
Band 2: Bible moralisée
Band 3: Stundenbuch der Maria von Burgund
Band 4: Jagdbuch des Mittelalters
Band 5: Reichenauer Evangelistar
Band 6: Medicina antiqua
Band 7: Speculum humanae salvationis
Band 8/1: Wiener Dioskurides
Band 8/2: Wiener Dioskurides
Band 9: Falkenbuch Friedrichs II.
Band 10: Trierer Apokalypse
Band 11: Die Goldene Bulle
Band 12: Der Ramsey-Psalter
Band 13: Tacuinum Sanitatis in Medicina
Band 14/1: Wolfram von Eschenbachs "Willehalm"
Band 14/2: Wolfram von Eschenbachs "Willehalm"
Band 15: Oldenburger Sachsenspiegel

Bisher waren mit größtem technischen und auch finanziellen Aufwand produzierte Faksimile-Ausgaben sehr kostspielig. Durch streng limitierte Auflagen sind sie auch nur einem sehr kleinen, erlesenen Kreis von Bibliotheken und Buchliebhabern vorbehalten.

Die Reihe "Glanzlichter der Buchkunst" dagegen macht in verkleinerten, jedoch vollständigen Wiedergaben herausragende Bilderhandschriften vergangener Jahrhunderte einem breiteren Personenkreis zugänglich.

Ich besitze von diesen 15 die ersten sechs, die ich nun hier vorstelle.


Goslarer Evangeliar

Stadtarchiv Goslar
Handschrift B 4387
um 1240, Goslar (?)

goslarer evangeliar

In dieser Handschrift haben sich Elemente der unterschiedlichsten Stilrichtungen zu einer neuen großartigen Einheit zusammengefunden. Jeder der Vier Evangelientexte wird durch eine üppig ausgestattete Initialseite eingeleitet, die kleine Szenen enthält. Ihr gegenüber steht eine vollständig bemalte Seite mit zwei oder mehr Bildern in einem Rahmen, sodaß sich eine Fülle von Bildthemen ausbreitet.

 

Bible moralisée

Österreichische Nationalbibliothek, Wien
Codex Vindobon. 2554
um 1220-1230, Paris (?)

bible moralisee

Die berühmte Bible moralisée ist eine der prächtigsten gotischen Handschriften aus dem 13. Jh. Der Codex (1) enthält 1032 goldgrundierte Bildmedaillons. Die Gestaltung von Bild - und Schriftspiegel hat man zu Recht immer wieder mit dem Aufbau der Glasfenster französischer Kathedralen verglichen. Mit ihrer paarweisen Gegenüberstellung biblischer Szenen einerseits und deren theologisch-moralisierender Auslegung (in französischer Sprache) andererseits gehört dieser Codex zu den eigentümlichsten Schöpfungen mittalterlicher Buchproduktion.

 

Stundenbuch der Maria von Burgund

Österreichische Nationalbibliothek, Wien
Codex Vindobon. 1857
zw. 1470 und 1480,
Flandern

stundenbuch der maria von burgund

Dieses um 1477 für die Erbtochter des Reiches und spätere Gemahlin Kaiser Maximlilians I. hergestellte Stundenbuch weist alle Elemente auf, die ein Buch wertvoll machen. In den groß- und kleinformatigen Miniaturen, den historisierenden Initialen, den vegetabil überwucherten, mit unterschiedlichsten Tieren und Fabelwesen belebten Zierrahmen und -leisten, v.a. aber in den großteils symbolisch zu deutenden Drolerien (2) entfalten die Maler eine unerschöpfliche Phantasie.

 

Jagdbuch des Mittelalters

Gaston Phoebus
Le Livre de la Chasse

Bibliothèque nationale, Paris
Ms. fr. 616
1405-1410, Paris

jagdbuch des gaston phoebus

Das Anfang des 15. Jh. entstandene höfische Jagdbuch des Gaston Phoebus ist das schönste der drei großen Jagdbücher des Mittelalters. Auf 87 halbseitigen Miniaturen werden vor überwiegend tapetenartigen, in der Buchmalerei einmaligen Bildhintergründen Tiere und Szenen zur Jagd in unnachahmlicher Naturtreue und Dynamik vorgeführt. Das Buch informiert über die Praxis des Waidwerks, über das Wild und über die Dressur und Pflege von Hunden. Nicht zu Unrecht wurden die Bilder als Bildteppiche in Miniaturformat bezeichnet.

 

Reichenauer Evangelistar

Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin,
Codex 78 A 2
2. Hälfte des 11. Jh.s,
der Reichenauer Schule zugeschrieben

reichenauer evangelistar

Die vor über 900 Jahren im Skriptorium des Klosters Reichenau, der bedeutendsten abendländischen "Malschule", entstandene Handschrift gilt heute als Schlüsselwerk für die Beurteilung der Reichenauer Buchmalerei. Auf 182 Seiten werden dem Leser die zentralen Abschnitte der Heilsgeschichte dargeboten. Die teils ganzseitigen, teils streifenartig in den Text eingefügten Miniaturen, deren Strahlkraft durch die reiche Verwendung von Gold erhöht wird, stehen noch ganz in der Tradition der ottonischen Kunst.

 

Medicina antiqua

Österreichische Nationalbibliothek, Wien,
Codex Vindobonensis 93
1. Hälfte des 13. Jh.s,
Süditalien, Kopie nach einer spätantiken Vorlage aus dem 6. Jh.

medicina antiqua

Von den mehr als 50 mittelalterlichen Handschriften der Medicina antiqua zählt dieser in der 1.Hälfte des 13. Jh. entstandene Codex zu den interessantesten und - von seinen einzigartigen Bildschmuck her gesehen - auch zu den schönsten. Er enthält nicht nur ein umfangreiches Herbarium, sondern zusätzlich noch zahlreiche Darstellungen von Therapieszenen und Ärztebildern, die ebenfalls auf antike Vorbilder zurückgehen und in leuchtender Deckfarbenmalerei ausgeführt sind.

 


(1) aus dem Lateinischen codex, -icis (m.), eigentlich Baumstamm, bedeutet methonymisch (in umbenennender Bedeutung) Buch, Heft

(2) Drolerien sind Randzeichnungen, die sich jedoch nicht auf den Inhalt des Buches beziehen.