Wer nicht sieht, verliert die Dinge, wer nicht hört, die Menschen.
Vorbemerkungen:
- Laut Statistik leiden bereits 19% der Bevölkerung unter Schwerhörigkeit, bei den über 65jährigen jeder Dritte. Nicht bloß ältere Menschen, sondern zunehmend auch Jugendliche sind von dieser Behinderung betroffen.
- Das Image der Hörschädigung ist noch immer mit vielen negativen Assoziationen verbunden, es hat meist etwas mit „begriffstutzig“ und „langsam im Denken“ zu tun.
Während man einem Blinden selbstverständlich mit Respekt begegnet, erwartet den Schwerhörigen aufgrund falsch verstandener Zusammenhänge statt dessen oft Gelächter und Spott. Daraus resultiert, dass viele Betroffene diese Behinderung zu verbergen versuchen und auch die Öffentlichkeit bisher kaum die Bedürfnisse der Schwerhörigen berücksichtigt.
- Man kann das Ohr als das „sozialste“ Organ des Menschen bezeichnen. Der Prozess des Hörens ist sehr viel komplizierter als der des Sehens. Jede Kommunikation und Begegnung der Menschen in der Gesellschaft ist immer mit Sprache und Ansprache verbunden, das Wahrnehmen von Signalen ist lebensnotwendig und unsere Kultur ist wesentlich auf das Hören ausgerichtet.
- Schwerhörigkeit ist unsichtbar. Dennoch leiden sowohl Angehörige von Schwerhörigen als auch Schwerhörige selbst nicht weniger darunter. Die Folge ist ein sich Zurückziehen und der Verzicht auf die für das ganze Menschsein notwendige Kommunikation.
Wichtige Verhaltensregeln:
- Sprechen Sie deutlich (nicht übertrieben!) und nicht zu schnell.
- Sprechen Sie mit normaler Lautstärke und nicht zu laut, obwohl manche Leute dies noch immer für richtig halten. Es ist gerade für Schwerhörige meist unangenehm, für Hörgeräteträger oft schmerzhaft.
- Blicken Sie einem Schwerhörigen beim Gespräch immer ins Gesicht, z.B. bei einem Gespräch mit Kunden. Gehen Sie nicht während des Gesprächs durch den Raum.
- Stehen Sie beim Gespräch nicht vor einem lichten Hintergrund (z.B. Fenster), sondern achten Sie darauf, dass statt dessen Ihr Mund gut beleuchtet ist. Sie ermöglichen damit dem Schwerhörigen aus Ihrem Mienenspiel und der Bewegung der Lippen wichtige Informationen abzusehen
- Achten Sie beim Gespräch, dass Ihr Gesicht nicht durch Haare verdeckt ist, halten Sie beim Sprechen nicht die Hand vor dem Mund.
- Flüstern oder sprechen Sie einen Schwerhörigen nicht ins Ohr, das Verstehen ohne Gesicht und Mund zu sehen, ist für ihn meist unmöglich.
- Sprechen Sie nicht während des Essens (Kauens), auch ein Kaugummi oder Zigarette im Mund verhindert die Möglichkeit, von den Lippen abzusehen.
- Schreien Sie einen Schwerhörigen nicht aus großer Entfernung an, sondern begeben Sie sich zum Gespräch in seine Nähe.
- Vermeiden Sie während eines Gesprächs möglichst jeden Umgebungslärm (Radio, Fernseher, Telefongespräche, Musik...usw.)
- Machen Sie neben Schwerhörigen keine leisen Nebenbemerkungen, etwas nicht Verstandenes macht unsicher und wird oft auf die eigene Person gemünzt.
- Versuchen Sie vor einem Gespräch mit einem Schwerhörigen seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Damit geben Sie ihm Gelegenheit, sich speziell auf Sie zu konzentrieren und vermeiden, ihn zu erschrecken (da er vielleicht Ihr Kommen nicht gehört hat).
- Formulieren Sie klare und kurze Sätze. Da für Schwerhörige das Hören mit sehr viel Denkarbeit verbunden ist, sind Schachtelsätze, in denen das Thema gewechselt wird, sehr schwer verstehbar.
- Fragt ein Schwerhöriger nach, ändern Sie nicht die Lautstärke, sondern wiederholen Sie den Satz eventuell in einfacher Form oder sagen das Stichwort nochmals.
- Wichtige Informationen wie Uhrzeit, Datum, Adressen, Telefonnummern usw. geben Sie am besten schriftlich bekannt. Es sind Aussagen, die keine Logik haben und daher nicht im Zusammenhang verstanden werden.
- Antworten Sie nie in einer Gesprächsrunde für einen Schwerhörigen. Helfen Sie ihm eher durch ein Stichwort, selbst die Antwort zu geben. Eine solche vorschnelle Bevormundung schafft Misstrauen und Schwerhörige fühlen sich nicht ernst
genommen. Sie brauchen zum Verstehen der Frage länger und können nicht so rasch antworten.
- Versuchen Sie in Gesellschaften und Runden Schwerhörige in das Gespräch zu integrieren. Mitten unter Menschen einsam zu sein, ist für Schwerhörige eine schmerzliche Erfahrung. Dass im Gespräch immer nur einer sprechen sollte, gehört wohl zur Gesprächskultur generell.
- Etwas von einem Schwerhörigen falsch Verstandenes erregt in einer Runde oft Heiterkeit. Sagen Sie dem Schwerhörigen den Grund dafür, damit er mitlachen kann und sich nicht ausgelacht fühlt.
- Sagen Sie keinem Schwerhörigen, dass er „froh sein soll, nicht blind zu sein“. Keiner kann dies wirklich behaupten und jede Behinderung ist für sich schlimm genug, auch würden Sie vermutlich so etwas nie zu einem Herzkranken sagen.
- Schwerhörige hören in verschiedenen Situationen unterschiedlich gut oder schlecht (Raumakustik, Wetter, Müdigkeit...). Das hat nichts mit Laune zu tun. Sagen Sie deshalb nicht vorschnell, er hört eben nur das, was er will. Das ist keine gerechte Beurteilung.
- Wer es als schwierig empfindet, mit Schwerhörigen zu reden (keine Frage!) sollte zumindest daran denken, dass es der Schwerhörige ungleich schwieriger hat.