Diagnostischer Stufenplan:
- Anamnese (Befunderhebung, Vorgeschichte. Um sich ein klareres Bild von der Krankheit zu machen und um den Enstehungsprozess besser zu verstehen, erfragt der Arzt Beginn, Verlauf und Art einer Erkrankung. Das Ergebnis all seiner Nachforschungen und Untersuchungen sowie die Auswertung der Laborbefunde ergeben die Diagnose)
- Otoskopie (Die Otoskopie ist die optische Untersuchung des Gehörgangs und des Trommelfells. Dabei muss der Arzt zuerst die natürlichen Krümmungen des äußeren Gehörgangs mit Hilfe eines Ohrtrichters überbrücken. Durch Einbringen von Licht sind nun der Gehörgang und das Trommelfell beurteilbar.Ein Otoskop ist ein Instrument, das aus folgenden drei Teilen besteht: einer Lampe, einer Lupe und einem wechselbaren Ohrtrichter)
- Epipharyngoskopie (Epipharynx=Nasenrachen; der zur Nase gehörige Teil des Rachens, in den Öffnungen der Nasenhöhle münden)
- Audiometrie (Die Audiometrie ist die Messung des Hörvermögens, d. h. die Quantifizierung bestimmter (auditiver) Leistungen des Sinnesorgans Ohr. Dabei wird unterschieden in:
subjektive Audiometrie (Antwort des Patienten auf einen Hörreiz ist erforderlich)
objektive Audiometrie (ohne aktive Mitarbeit des Patienten)
- Vestibulometrie (Untersuchungsmethode zur Abklärung von Schwindelzuständen. Mit ihr kann unterschieden werden ob die Ursache des Schwindels in den Gleichgewichtsorganen oder im Gehirn liegt, oder ob eine Störung im Halswirbelsäulenbereich Auslöser der Schwindelsymptomatik ist. Auf Grund der Verschaltung des Gleichgewichtsorganes mit der Bewegung der Augen im Gehirn, kann man über eine spezielle Videobrille, welche die kleinsten Augenbewegungen registriert, Rückschlüsse auf das Gleichgewichtssystem ziehen)
- MRT (Die Kernspintomographie, oft auch als Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) bezeichnet, ist eine diagnostische Technik zur Darstellung der inneren Organe und Gewebe, die erst seit der Mitte der 80er angewendet wird. Das Prinzip der Magnet-Resonanz-Tomographie beruht auf der Verwendung von Magnetfeldern und Radiowellen. Dadurch wird der Patient keiner Form von Röntgen- oder anderer gefährlicher Strahlung ausgesetzt)
- CT (Eine Computertomographie erfolgt durch ein spezielles Röntgengerät. Dabei durchdringt nicht wie bei einer konventionellen Röntgenuntersuchung ein gebündelter Strahl aus einer Einstrahlrichtung den Körper, sondern es werden mehrere Bündel von Strahlen fächerförmig aus verschiedenen Winkeln eingestrahlt.Je nachdem, welches Gewebe die Strahlen durchdringen, werden sie mehr oder weniger stark abgeschwächt. Strahlendetektoren messen die Stärke der Strahlen nach ihrem Durchtritt durch die untersuchte Körperregion, wandeln sie in elektrische Impulse um und senden sie an einen Computer zur Auswertung.Diese Daten verarbeitet der Computer und formt sie in scheibenförmige zweidimensionale Bilder um. Sie erscheinen auf einem Bildschirm, oder werden später auf einem belichteten Film näher betrachtet.)
Schallleitungsschwerhörigkeit (Mittelohrschwerhörigkeit)
Ursachen
- Gehörgangsverschlüsse (Zeruminalpfropf – häufigste
Ursache akuter Hörverschlechterung –, Fremdkörper, Exostosen, Otitis externa mit starker Schuppen- und Sekretbildung)
- Akuter Tubenkatarrh (oft mit Geräuschkomponente)
Mittelohrerkrankung (akute, chronische Otitis, Mittelohrerguß)
- Defekte des Trommelfells oder der Gehörknöchelchen (Narben,Verwachsungen, Frakturen, Luxationen)
- Otosklerose: knöcherne Fixierung der Steigbügelplatte (nach Jahren auch zu Innenohrschwerhörigkeit führend), oft subjektive Ohrgeräusche
Symptome
Oft subjektive, tiefe, niederfrequente Ohrgeräusche. Übertragung vorwiegend der tiefen Frequenzen zum Cortischen Organ gestört (A-, O-, U-Laute)
Untersuchungsbefund
- Die klingende a1-Stimmgabel, auf die Kopfmitte gesetzt, wird in das kranke Ohr lateralisiert (Weber-Versuch)
- Rinne-Versuch negativ (Die klingende a1-Stimmgabel wird normalerweise, und in abgeschwächter Form auch bei Schallempfindungsschwerhörigkeit, über Luftleitung etwa doppelt so lange gehört wie über Knochenleitung: Rinne positiv; bei Schalleitungsschwerhörigkeit wird die klingende a1-Stimmgabel hingegen über Knochenleitung länger gehört als über Luftleitung: Rinne negativ)
- Im Tonaudiogramm: bei guter Knochenleitung Verschlechterung der Luftleitungskurve
Schallempfindungsschwerhörigkeit
Innenohr-, Labyrinth-, Nervenschwerhörigkeit. Defekt im Bereich des Cortischen Organs, des Ganglion spirale oder weiter zentral.
Bei einseitiger, progredienter Innenohrschwerhörigkeit sollte immer ein Akustikusneurinom ausgeschlossen werden. Die Früherkennung des Akustikusneurinoms ermöglicht es, durch moderne Therapieverfahren (Operation, Gamma-Knife) teilweise das Gehör zu erhalten, ebenso die Funktion der anderen benachbarten Hirnnerven (Symptome: langsamer Hörverlust, Ohrensausen, wenig Schwindelbeschwerden, schleichender Verlauf)
Diagnostik
- Audiometrie einschließlich Fowler-Test (Recruitment)
- Ableitung akustisch evozierter Hirnstammpotentiale
- MRT, ggf. CT.
Differentialdiagnose der Schallempfindungsschwerhörigkeit
(Rinne-Versuch: abgeschwächt positiv,
Weber-Versuch: Lateralisation in das gesunde Ohr) |
Innenohrschädigung (Haarzellen)
(Recruitment: positiv) |
Retrocochleäre Schädigung
(Recruitment negativ) |
vaskulär:
Hörsturz
M. Menière
Stoffwechselstörungen
traumatisch:
Felsenbeinfrakturen
stumpfes Schädelhirntrauma
posttraumatisches Zervikalsyndrom
akutes Schall- und Knalltrauma
Ruptur des runden Fensters
degenerativ:
Presbyakusis
chronisches Lärmtrauma
medikamentös-toxisch
erblich
entzündlich:
Labyrinthitis
Zoster oticus
prä- und perinatale Schäden |
Akustikusneurinom
Kleinhirn-Brückenwinkel-Tumor
Multiple Sklerose
umschriebene Blutung
Mumps-Neuritis cochlearis |
Altersschwerhörigkeit (Presbyakusis)
Verminderung der Wahrnehmung hoher Töne und der Wortverständlichkeit im Alter
Ursachen
Summation vielfältiger während des Lebens das Innenohr treffender Noxen: Kreislauf- und Stoffwechselstörungen, Toxine, Traumen, Lärm etc.
Hereditäre und frühkindlich erworbene Innenohrschwerhörigkeit
Rezessiv erblich, bereits beim Kind auftretend, selten vergesellschaftet mit Retinitis pigmentosa, Vestibularisstörungen oder Schwachsinn. Oder frühkindlich erworben als Folge pränataler Infektionskrankheiten (Rubeola, Lues), einer Asphyxie während der Geburt oder einer Blutgruppenunverträglichkeit (Rh- oder ABO-Erythroblastose)
Dominant erbliche progressive Innenohrschwerhörigkeit
Häufig leicht beginnend, erst im höheren Alter zunehmend, kann bis zur Taubheit führen
Lärmschwerhörigkeit
- Abhängig von Intensität, Frequenz und
Einwirkungsdauer des Lärms
- Seitengleiche Schäden im Hochtonbereich, anfangs meist in Form einer C5-Senke, in fortgeschrittenem Stadium Steilabfall der Hörkurve im Hochtonbereich (als Berufskrankheit meldepflichtig)
- Akute Schalltraumen (starker Schall, Düsenmaschinen) und akute Knall- und Explosionstraumen bewirken oft einen Steilabfall der Hörkurve in höheren Frequenzen (Seitendifferenz)
Infekte
Fortgeleitete Entzündungen (Otitis media, Labyrinthitis, Meningitis), Lues, Tbc, Parotitis epidemica, Masern, Röteln, Diphtherie, Scharlach, Zoster oticus
Toxische Schäden
Chinin, Aminoglykosidantibiotika, Zytostatika (Cis-Platin) u.a.
Hörsturz
Akute medizinische Notfallsituation, charakterisiert durch plötzlich einsetzende, einseitige Hörminderung.
Ursachen
Virusinfekte, Stress, Hypotonie, Hypothyreose, diabetische Angiopathie, Arteriosklerose und alle arteriellen Verschlusskrankheiten, toxisch-allergische Faktoren, degenerative HWS-Schäden, Autoimmunerkrankung (Cogan-Syndrom), endogener Innenohrsehaden, AIDS, häufig auch kein erkennbarer Anlass.
Symptome
Als Prodromi treten meist einseitiges Druckgefühl im betroffenen Ohr und ein einseitiger, meist heftiger, hochfrequenter Tinnitus auf. Schwindel und andere relevante neurologisch-ophthalmologische Begleitsymptome fehlen in der Regel (idiopathischer Hörsturz).
Diagnostik
Plötzlich einsetzende Schallempfindungsschwerhörigkeit, im Tonaudiogramm vorwiegend auf die hohen und mittleren Frequenzen beschränkt, manchmal auch pancochleär bis zur Ertaubung. Stimmgabelprüfung: Rinne-Versuch positiv, Weber-Versuch in das gesunde Ohr lateralisiert.
Merke:
Bei Verdacht auf Hörsturz sofortige Überweisung zum Facharzt!
Verlauf
Von entscheidender Bedeutung ist die möglichst frühzeitige Diagnose, weil die Heilungschancen abhängig sind von den umgehend einsetzenden therapeutischen Maßnahmen. Spontanremissionen sind jedoch möglich. Mit Rezidiven muss gerechnet werden
Tinnitus (Ohrensausen)
Mittelohrbedingt
Ursachen:
Zerumen, Exsudate, Entzündungen, Otosklerose, Tubenverschluss, Glomustumor (pulsierend)
Symptome
dunkles Brummen, Rauschen, Summen, Sausen
Innenohrbedingt
Der subjektive hochfrequente Tinnitus stellt ein weit verbreitetes Symptom unterschiedlicher Ätiologie dar, dessen Pathophysiologie bisher nur fragmentarisch geklärt ist. Bis auf wenige Ausnahmen keine diagnostische Objektivierung möglich; therapeutisch Crux medicorum.
Ursachen
- Knall-, Schall-, chronische Lärmtraumen, Schädel-Hirntraumen, M. Ménière, Hörsturz, Akustikusneurinom, Kleinhirn-Brückenwinkel-Tumor
- Degenerative Erkrankungen des ZNS und Innenohres, Presbyakusis
- Intoxikationen (Alkohol, Nikotin, Acetylsalizylsäure, Diuretika, Aminoglykoside, Zytostatika und viele andere Arzneimittel)
- Stoffwechselerkrankungen (Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörungen, Hypothyreosen, Avitaminosen), Nierenerkrankungen
- Durchblutungsstörungen (Hypertonie, Hypotonie, vertebrobasiliäre Insuffizienz z.B. bei HWS-Syndrom)
Symptome
hochfrequentes Pfeifen, Zischen, Klingen
THERAPIEN
Schalleitungsschwerhörigkeit
- Zeruminalpfropf: Ausspülen mit körperwarmem Wasser; gelingt dies nicht, weicht man den Pfropfen mit Öl und 1%iger Sodalösung auf; instrumentelle Entfernung des Hindernisses bei trockenem Defekt im Trommelfell nur durch Facharzt!
- Tubenverschluss durch schnellen Höhenwechsel
Valsalva-Versuch ("Schneuzen" mit Zuhalten beider Nasenlöcher) durch Politzern oder durch Tubenkatheterismus. Bei Rhinitis acuta und sicca als Ursache zusätzlich Behandlung der Grundkrankheit.
- Bei länger dauerndem Unterdruck (Adenoide bei Kindern!) evtl. Ansammlung eines sterilen Exsudates im Mittelohr (Seromucotympanon): nicht zu lange warten mit Absaugung durch das Trommelfell oder Parazentese und Politzern (bei Adenoiden: zusätzlich Adenotomie)
- Trommelfellverletzung z.B. durch Schlag auf das Ohr oder Druckwelle einer Explosion: sofortiges Aufzeichnen von Befund und Ergebnissen der Hörprüfung
Kleine Defekte heilen meist von selbst, Gehörgang mit steriler Watte schützen; bei größeren Defekten sofortige Trommelfellschienung, wenn kein Erfolg, plastische Operation (Myringoplastik)
Schallempfindungsschwerhörigkeit
- Behandlung des Grundleidens; bei Altersschwerhörigkeit Versuch mit "Antiarteriosklerotika", fettarmer Kost, evtl. Hormonbehandlung, Therapie eines bestehenden Hochdruckes, Behandlung einer Herzinsuffizienz
- Sachgemäße Anpassung von Hörgeräten (ggf. beidseitig)
- Ausschaltung von toxischen und infektiösen Einflüssen
- Bei Schallschädigung des Innenohrs (z.B. durch Explosion von Feuerwerkskörpern, Gewehr- oder Geschützknall in Ohrnähe, elektronische Musikverstärker, Düsenlärm) ggf. Infusionstherapie (siehe Hörsturz); meist Restitutio, Dauerschädigung allerdings möglich.
Hörsturz
Bei sofortiger Therapie (innerhalb der ersten 24 Std.) gute Prognose. Diese sollte unbedingt vom Facharzt bzw. in einer Fachklinik durchgeführt werden!
Bewährt haben sich
- Tägliche Infusionsbehandlung (10 Tage) mit peripher-vasodilatatorisch wirkenden Mitteln, Rheomacrodex oder Hydroxyaethylstärke und hochdosiertem Vitamin B
- Anschließend orale Therapie mit Vasodilatantien und hochdosiertem Vitamin B
- Glukokortikoide
- Zur Vermeidung von Rezidiven: Karenz von Nikotin, Alkohol, Kaffee, Stress (Katecholaminausschüttung!), Physiotherapie bei HWS-Veränderungen
Tinnitus (Ohrensausen)
Ein hochfrequenter, meist innenohrbedingter Tinnitus bedarf wegen seiner mannigfaltigen Ursachen, sekundären Einflussfaktoren und Folgeerscheinungen (Schema) immer einer eingehenden Durchuntersuchung beim Facharzt. Eine kausale Therapie ist in vielen Fällen nicht möglich. Häufig Überlagerung des Krankheitsbildes durch eine larvierte Depression
- Bei akutem hochfrequentem Tinnitus und bei nachgewiesenen zentralen Durchblutungsstörungen Vasodilatantien
- Bei HWS-Veränderungen Physiotherapie
- Bei mittelohrbedingtem tiefen Ohrensausen kausale Therapie (Zerumen, Tubenverschluss, Seromucotympanon, Glomustumor und vaskuläre Läsionen bei pulsierendem Tinnitus)